In Bremen wie auch bundesweit gilt grundsätzlich das sogenannte Offizialprinzip im Strafrecht: Die Strafverfolgung obliegt in der Regel der Staatsanwaltschaft. Doch es gibt Ausnahmen – insbesondere bei weniger gravierenden Delikten. Hier kommt die Privatklage ins Spiel. Dabei übernehmen Geschädigte selbst die Rolle der Ankläger:innen und bringen das Verfahren vor Gericht. Doch wann ist das möglich? Und lohnt sich dieser Schritt?
Wir erklären, unter welchen Voraussetzungen der Privatklageweg offensteht, wie das Verfahren abläuft, und worauf Kläger:innen achten sollten – mit besonderem Blick auf die Praxis in Bremen.
1. Was ist eine Privatklage – und wann ist sie zulässig?
Die Privatklage (§§ 374 ff. StPO) ist eine besondere Verfahrensform im Strafprozess, bei der nicht die Staatsanwaltschaft, sondern die geschädigte Person selbst als Ankläger:in auftritt. Möglich ist dies nur bei bestimmten Straftaten, den sogenannten Privatklagedelikten, die im Gesetz abschließend aufgelistet sind. Dazu gehören unter anderem:
- Beleidigung (§ 185 StGB)
- Körperverletzung (§ 223 StGB)
- Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
- Hausfriedensbruch (§ 123 StGB)
In diesen Fällen kann die Staatsanwaltschaft ein Verfahren zwar auch selbst übernehmen – allerdings nur dann, wenn ein besonderes öffentliches Interesse besteht (§ 376 StPO). Das wird etwa dann bejaht, wenn die Tat über das persönliche Umfeld der geschädigten Person hinaus die Allgemeinheit betrifft. Fehlt dieses öffentliche Interesse, kann der:die Betroffene jedoch nicht auf ein Klageerzwingungsverfahren ausweichen, sondern muss selbst aktiv werden – über den Weg der Privatklage.
2. Voraussetzungen: Vor der Klage steht der Sühneversuch
In vielen Fällen ist ein Strafverfahren nicht sofort zulässig. Insbesondere bei Konflikten zwischen Nachbar:innen, Ex-Partner:innen oder Bekannten, wie sie auch in Bremen häufig vorkommen, verlangt das Gesetz einen Sühneversuch (§ 380 StPO). Dieser findet vor einer Schlichtungsstelle oder Vergleichsbehörde statt – in Bremen etwa beim Stadtamt oder Friedensrichter:innen.
Nur wenn dieser Versuch scheitert, ist der Weg zur Privatklage frei. Das Gericht prüft, ob dieser Schritt ordnungsgemäß durchlaufen wurde – fehlt der Nachweis, wird die Klage als unzulässig abgewiesen.
3. Ablauf und Rechte im Privatklageverfahren
Ist die Klage zulässig erhoben, übernimmt das Gericht die Prüfung des Sachverhalts. Dabei ist zu beachten:
- Widerklage möglich: Der oder die Beschuldigte kann selbst eine Gegenklage erheben, was gerade bei gegenseitigen Beschuldigungen – etwa bei Beleidigungen im Straßenverkehr – nicht selten vorkommt.
- Übernahme durch die Staatsanwaltschaft: Bis zur Rechtskraft des Urteils kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren jederzeit übernehmen – etwa wenn sich herausstellt, dass doch ein öffentliches Interesse besteht.
- Einstellung des Verfahrens: Bei Einigung oder Rücknahme der Klage kann das Verfahren jederzeit beendet werden. Stirbt der oder die Privatkläger:in, kann das Verfahren von nahen Angehörigen fortgeführt werden (§ 393 StPO).
4. Risiken und Herausforderungen für Kläger:innen
Die Privatklage ist rechtlich möglich – aber sie ist nicht ohne Hürden. Besonders zu beachten:
- Kostenrisiko: Kläger:innen müssen Prozesskostenvorschüsse und ggf. Sicherheitsleistungen für die voraussichtlichen Kosten der Beschuldigten leisten (§§ 379, 379a StPO).
- Kostenübernahme bei Misserfolg: Wird die Klage abgewiesen oder endet das Verfahren mit einem Freispruch oder einer Einstellung, tragen die Kläger:innen alle Verfahrenskosten – inklusive der Verteidigungskosten der Beschuldigten.
- Aktive Rolle erforderlich: Kläger:innen müssen eigenständig Beweise beschaffen, Zeug:innen benennen und den Prozess inhaltlich führen – ohne Unterstützung der Staatsanwaltschaft.
- Nichterscheinen zählt als Rücknahme: Erscheinen die Kläger:innen nicht zur Verhandlung, gilt die Klage als zurückgenommen – das Verfahren ist damit beendet (§ 391 StPO).
Fazit: Die Privatklage als Mittel mit Augenmaß nutzen
Die Möglichkeit der Privatklage ist ein wichtiges Instrument für Geschädigte, wenn die Staatsanwaltschaft kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung sieht. Besonders bei persönlichen Konflikten oder Beleidigungen – etwa im Straßenverkehr, bei Nachbarschaftsstreitigkeiten oder im beruflichen Umfeld – kann dieser Weg sinnvoll sein.
Allerdings ist die Privatklage mit erheblichen Risiken verbunden und endet laut Statistik nur in wenigen Fällen mit einer Verurteilung. Wer in Bremen oder Umgebung eine Privatklage in Erwägung zieht, sollte sich unbedingt anwaltlich beraten lassen, um mögliche Fallstricke zu vermeiden und die Erfolgsaussichten realistisch einschätzen zu können.
Als spezialisierte Kanzlei für Straf- und Verkehrsrecht stehen wir bereit, um Sie rund um die Themen Privatklage, Beleidigungsdelikte oder Konflikte im Straßenverkehr zu unterstützen – von der ersten Einschätzung bis zur prozessualen Begleitung. Kontaktieren Sie uns gerne an unseren Standorten in Bremen, Sulingen, Osnabrück oder auch Online.
FAQ’s zum Thema Privatklage
1. Was ist eine Privatklage und wann kann ich sie erheben?
Eine Privatklage ist ein strafrechtliches Verfahren, bei dem Geschädigte selbst Klage erheben – etwa bei Beleidigung oder Körperverletzung. Möglich ist dies, wenn kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.
2. Muss ich vor der Privatklage immer einen Sühneversuch unternehmen?
In den meisten Fällen ja. Ein Schlichtungsversuch vor einer anerkannten Stelle – z. B. in Bremen beim Stadtamt – ist gesetzlich vorgeschrieben.
3. Welche Kosten kommen auf mich zu, wenn ich eine Privatklage einreiche?
Kläger:innen müssen einen Prozesskostenvorschuss leisten. Bei Misserfolg tragen sie zusätzlich die Kosten des Verfahrens und die Auslagen der Gegenseite.
4. Kann ich als Privatperson allein eine Klage führen?
Ja, allerdings müssen Sie dann auch selbst Beweise beibringen und rechtlich fundiert argumentieren. Eine anwaltliche Begleitung ist daher dringend zu empfehlen.
5. Was passiert, wenn ich nicht zur Hauptverhandlung erscheine?
Dann gilt die Privatklage als zurückgenommen – das Verfahren ist beendet, und Sie tragen die Kosten.