In den Medien werden Begriffe wie „Mord“ und „Totschlag“ oft durcheinandergeworfen. Für juristische Laien wirken beide Delikte auf den ersten Blick ähnlich – schließlich geht es in beiden Fällen um die vorsätzliche Tötung eines Menschen. Doch im Strafrecht ist die Unterscheidung von zentraler Bedeutung: Sowohl das Strafmaß als auch die Bewertung des Tatgeschehens unterscheiden sich erheblich. Gerade für Strafverteidiger:innen – etwa in unserer Kanzlei in Bremen – ist es entscheidend, ob ein:e Beschuldigte:r wegen Mordes oder Totschlags angeklagt ist.
1. Die gesetzliche Grundlage: §§ 211 und 212 StGB
Die Unterscheidung basiert auf zwei eigenen Straftatbeständen des Strafgesetzbuches (StGB):
- § 211 StGB – Mord
- § 212 StGB – Totschlag
Beide Delikte setzen voraus, dass das Leben eines anderen Menschen vorsätzlich beendet wurde. Der große Unterschied: Für Mord müssen zusätzliche sogenannte Mordmerkmale vorliegen. Diese Merkmale sind genau definiert und machen aus einem „bloßen“ Totschlag juristisch einen Mord.
2. Mordmerkmale: Wann eine Tötung als Mord gilt
§ 211 StGB nennt mehrere Mordmerkmale, die entweder die Beweggründe oder die Art und Weise der Tat betreffen. Liegt mindestens eines dieser Merkmale vor, handelt es sich strafrechtlich um Mord. Hier einige Beispiele:
Niedrige Beweggründe
Dazu zählen etwa:
- Rachsucht ohne nachvollziehbaren Anlass
- rassistische oder menschenverachtende Motive
- das „Abreagieren“ von Frust ohne Zusammenhang zum Opfer
Habgier, zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs und Mordlust
- Wer sein Opfer vor, während oder nach einer Vergewaltigung tötet handelt zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs.
- Habgier liegt vor, wenn der:die Täter:in tötet, um sich selbst materiell zu bereichern – oder auch, um einen Vermögensnachteil zu vermeiden.
- Mordlust liegt vor, wenn jemand tötet, allein um des Tötens willen – also aus reiner Freude an der Tötungshandlung oder am Tod des Opfers.
Heimtücke, Grausamkeit und gemeingefährliche Mittel
- Wer sein Opfer überraschend in einem Moment der Wehrlosigkeit tötet, handelt heimtückisch.
- Grausamkeit liegt vor, wenn das Opfer besonders leidet.
- Gemeingefährliche Mittel sind etwa das Feuerlegen in einem bewohnten Haus oder das Lenken eines Fahrzeugs in eine Menschenmenge.
Auch das Töten zur Verdeckung einer anderen Straftat (z. B. eines Raubes oder einer Vergewaltigung) ist ein Mordmerkmal.
3. Totschlag: Die „Tötung ohne Mordmerkmal“
Fehlen diese besonderen Merkmale, aber liegt dennoch ein Vorsatz vor, handelt es sich um Totschlag gemäß § 212 StGB. Auch hier handelt der:die Täter:in absichtlich, jedoch ohne die erschwerenden Umstände, die den Mord kennzeichnen.
Gerade bei emotional aufgeladenen Situationen – etwa einem eskalierenden Streit – kann schnell eine vorsätzliche Tötung entstehen, die jedoch kein Mord im strafrechtlichen Sinne ist.
4. Unterschiede im Strafmaß
Die Unterscheidung ist nicht nur juristisch, sondern auch für die Beschuldigten höchst relevant, denn das Strafmaß unterscheidet sich deutlich:
- Mord (§ 211 StGB): zwingend lebenslange Freiheitsstrafe
- Totschlag (§ 212 StGB): Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in besonders schweren Fällen ebenfalls lebenslang
Das bedeutet: Wird ein:e Beschuldigte:r wegen Mordes verurteilt, gibt es kein milderes Strafmaß. Bei Totschlag hingegen ist das Gericht freier in der Strafzumessung – abhängig vom konkreten Einzelfall.
5. Verjährung: Mord verjährt nie
Ein weiterer Unterschied: Mord verjährt nicht. Das bedeutet, auch Jahrzehnte nach der Tat kann ein:e Beschuldigte:r noch verfolgt werden. Beim Totschlag hingegen tritt nach 20 Jahren Verjährung ein. Diese Regelung zeigt, wie stark der Gesetzgeber den Mord als besonders verwerfliches Unrecht einstuft.
6. Notwehr und Affekttaten: Strafrechtliche Einordnung mit Folgen
Nicht jede Tötung ist automatisch Mord oder Totschlag. Gerade in der Strafverteidigung prüfen wir sehr genau, ob Rechtfertigungsgründe wie Notwehr oder schuldmindernde Umstände wie ein starker Affekt vorlagen.
- Notwehr (§ 32 StGB)
Wer sich gegen einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff zur Wehr setzt, handelt gerechtfertigt. Eine Tötung zur Abwehr eines Angriffs – etwa bei einem bewaffneten Einbruch – kann unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleiben. - Affekttat (§ 213 StGB)
Wenn der:die Täter:in unter dem Einfluss einer starken seelischen Erregung handelt, z. B. nach einer schwerwiegenden Provokation durch das Opfer, kann das Strafmaß deutlich reduziert werden. In solchen Fällen wird oft statt wegen Mordes nur wegen Totschlags verurteilt – mit entsprechender Strafmilderung.
7. Praxisnahe Einordnung: Beispiele zur Veranschaulichung
Fall Mord:
Zwei Personen leben in einer Beziehung. Eine davon vermutet, vom:von der Partner:in betrogen zu werden, und plant gezielt die Tötung – etwa heimlich im Schlaf. Die Kombination aus Eifersucht, Heimtücke und Planung spricht für Mord.
Fall Totschlag:
Ein Streit eskaliert in einer Kneipe. Aus der Situation heraus schlägt eine Person wiederholt auf eine andere ein, ohne vorherigen Plan. Die Tat ist zwar vorsätzlich, aber es fehlen die Mordmerkmale – es handelt sich um Totschlag.
Fazit: Juristische Differenzierung mit großer Wirkung
Auch wenn in der öffentlichen Wahrnehmung „Mord“ und „Totschlag“ häufig gleichgesetzt werden – juristisch macht die Unterscheidung einen gravierenden Unterschied. Für Strafverteidiger:innen ist diese Abgrenzung essenziell, denn sie entscheidet nicht selten über viele Jahre Freiheitsentzug.
Die Bewertung hängt immer vom Einzelfall ab – von den konkreten Umständen, Motiven und der inneren Haltung der Beschuldigten. Wer mit einem solchen Vorwurf konfrontiert ist, sollte sich dringend an spezialisierte Strafverteidiger:innen wenden.
Als Kanzlei mit Standorten in Bremen, Sulingen, Osnabrück und Online stehen wir Beschuldigten im Strafverfahren kompetent und erfahren zur Seite. Gerade bei schwerwiegenden Vorwürfen wie Mord oder Totschlag ist eine frühzeitige und engagierte Verteidigung entscheidend. Kontaktieren Sie uns gern für ein vertrauliches Erstgespräch.
FAQs zum Thema „Mord vs. Totschlag“
1. Wann liegt ein Mord und wann ein Totschlag vor?
Ein Mord liegt nur dann vor, wenn zusätzlich zur vorsätzlichen Tötung bestimmte Mordmerkmale vorliegen – etwa Heimtücke, Habgier oder Grausamkeit. Fehlen diese Merkmale, handelt es sich in der Regel um Totschlag.
2. Gibt es für Mord und Totschlag unterschiedliche Strafen?
Ja. Mord wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Totschlag hingegen hat ein Mindeststrafmaß von fünf Jahren, kann aber je nach Fall auch lebenslänglich geahndet werden.
3. Verjährt ein Mord irgendwann?
Nein, Mord verjährt nicht. Eine Verfolgung ist auch Jahrzehnte nach der Tat noch möglich. Totschlag hingegen verjährt nach 20 Jahren.
4. Kann Notwehr eine Tötung rechtfertigen?
Ja, wenn die Voraussetzungen der Notwehr (§ 32 StGB) vorliegen, kann eine Tötung gerechtfertigt und somit straffrei sein. Das gilt jedoch nur, wenn die Verteidigung erforderlich und verhältnismäßig war.
5. Was bedeutet eine Affekttat im Strafrecht?
Bei einer Affekttat handelt der:die Täter:in aus starker seelischer Erregung – z. B. durch eine Provokation. In solchen Fällen kann das Gericht die Strafe mildern oder statt Mord nur auf Totschlag erkennen.