Wenn plötzlich die Polizei oder Staatsanwaltschaft vor der Tür steht und Gegenstände mitnimmt, ist die Verunsicherung meist groß. Gerade in einem Ermittlungsverfahren ist die sogenannte Beschlagnahme für viele ein Schockmoment – begleitet von dem Gefühl, hilflos ausgeliefert zu sein. Doch was bedeutet diese Maßnahme eigentlich genau? Wer darf sie anordnen, was ist erlaubt – und was nicht? Und wie sollte man sich in einer solchen Situation verhalten?
Als erfahrene Strafrechtskanzlei mit Standort in Bremen möchten wir Ihnen in diesem Beitrag einen verständlichen Überblick geben. Dabei geht es nicht nur um die rechtlichen Grundlagen der Beschlagnahme, sondern auch um konkrete Handlungsempfehlungen – damit Sie im Ernstfall wissen, was zu tun ist.
1. Was versteht man unter einer Beschlagnahme?
Die Beschlagnahme ist ein Zwangsmittel im Strafverfahren und in den §§ 94 ff. der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Sie ermöglicht es den Ermittlungsbehörden, Gegenstände in amtlichen Gewahrsam zu nehmen – insbesondere dann, wenn diese als Beweismittel in Betracht kommen oder für eine spätere Einziehung benötigt werden.
Wichtig ist: Vor einer förmlichen Beschlagnahme erfolgt in vielen Fällen zunächst eine Sicherstellung. Verweigert die betroffene Person jedoch die freiwillige Herausgabe oder ist eine spätere Streitigkeit zu erwarten, greifen Polizei oder Staatsanwaltschaft zur Beschlagnahme.
👉 Unser Rat: Auch wenn der Druck in dieser Situation hoch ist – übergeben Sie keine Gegenstände freiwillig. Denn eine freiwillige Herausgabe kann selbst eine eigentlich rechtswidrige Maßnahme nachträglich legitimieren. Damit verlieren Sie wertvolle Verteidigungsoptionen.
2. Wann ist eine Beschlagnahme zulässig?
Nicht jede Maßnahme der Ermittlungsbehörden ist automatisch rechtmäßig. Damit eine Beschlagnahme durchgeführt werden darf, müssen klare Voraussetzungen erfüllt sein:
Anfangsverdacht: Es müssen konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen (§ 152 Abs. 2 StPO).
Verhältnismäßigkeit: Die Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Zwischen dem Eingriff in die Grundrechte und dem Interesse an der Strafverfolgung muss ein ausgewogenes Verhältnis bestehen.
Gerade in Bremen – einem Ort mit aktiven Ermittlungsbehörden und stetigem Fokus auf Sicherheitsfragen – erleben wir immer wieder, dass dieser Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kritisch zu prüfen ist.
3. Was darf beschlagnahmt werden – und was nicht?
Im Rahmen einer Beschlagnahme dürfen vielfältige Gegenstände in den amtlichen Gewahrsam übergehen – etwa:
mutmaßliche Tatmittel oder Werkzeuge,
persönliche Gegenstände wie Kleidung,
Dokumente, Notizen, Verträge,
digitale Geräte (z. B. Smartphones, Laptops, USB-Sticks),
gespeicherte Inhalte wie E-Mails, Chatverläufe oder Cloud-Daten.
Achtung: Auch sensible Daten dürfen unter bestimmten Umständen beschlagnahmt werden – etwa, wenn die Kommunikation bereits abgeschlossen ist und eine Verhältnismäßigkeit gegeben ist.
Nicht beschlagnahmt werden dürfen hingegen:
Unterlagen, die dem Beschlagnahmeverbot unterliegen (§ 97 StPO),
jegliche Kommunikation mit Verteidiger:innen,
Aufzeichnungen von Berufsgeheimnisträger:innen wie Ärzt:innen, Psycholog:innen oder Seelsorger:innen.
Diese Schutzmechanismen dienen der Wahrung des Vertrauensverhältnisses und verhindern eine unzulässige Umgehung des Aussageverweigerungsrechts.
4. Wer darf eine Beschlagnahme anordnen?
Grundsätzlich dürfen nur Gerichte eine Beschlagnahme anordnen (§ 98 Abs. 1 StPO). Es gibt jedoch eine wichtige Ausnahme: Bei Gefahr im Verzug dürfen auch Staatsanwaltschaft oder Polizei tätig werden.
Aber auch hier gilt: Nicht jede „Gefahr im Verzug“ ist rechtlich haltbar. Gerade bei sensiblen Maßnahmen – etwa bei Presseerzeugnissen oder Postsendungen – ist selbst in solchen Situationen zwingend eine richterliche Entscheidung notwendig.
In der Praxis – auch hier in Bremen – erleben wir häufig, dass die Polizei auf „Gefahr im Verzug“ verweist, ohne dass eine ausreichende Begründung vorliegt. Eine anwaltliche Prüfung lohnt sich in diesen Fällen besonders.
5. Wie sollten Sie bei einer Beschlagnahme reagieren?
Wenn bei Ihnen eine Beschlagnahme durchgeführt wird, behalten Sie – so schwer es fällt – Ruhe. Folgende Schritte helfen, Ihre Rechte zu sichern:
Verlangen Sie Einsicht in den richterlichen Beschluss.
Liegt keiner vor? Fragen Sie nach der Begründung für „Gefahr im Verzug“.
Geben Sie nichts freiwillig heraus – das stärkt Ihre Verteidigung.
Widersprechen Sie der Maßnahme ausdrücklich. Bitten Sie darum, den Widerspruch zu protokollieren.
Fordern Sie eine Kopie des Protokolls oder fertigen Sie ein Foto davon an.
Kontaktieren Sie sofort eine:n Strafverteidiger:in.
Machen Sie keine Angaben zur Sache. Sie müssen die Maßnahme dulden – mehr nicht.
6. Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen?
Wurde die Beschlagnahme von Polizei oder Staatsanwaltschaft veranlasst, muss sie innerhalb von drei Tagen richterlich bestätigt werden (§ 98 Abs. 2 StPO). Diesen Antrag können Sie auch selbst – oder durch Ihre Verteidigung – stellen.
Liegt bereits eine richterliche Anordnung vor, besteht die Möglichkeit einer Beschwerde nach § 304 StPO. Dabei prüfen wir als Strafverteidiger:innen sorgfältig, ob die Voraussetzungen der Maßnahme eingehalten wurden und ob eine Anfechtung sinnvoll ist.
Fazit: Ihre Rechte kennen – besonnen handeln
Eine Beschlagnahme kann einschüchternd wirken, ist jedoch klar rechtlich geregelt. Wer seine Rechte kennt, nichts vorschnell herausgibt und sich frühzeitig anwaltlich beraten lässt, kann sich effektiv gegen unrechtmäßige Maßnahmen wehren. Ob in Bremen oder bundesweit – wir stehen an Ihrer Seite, wenn Ermittlungsdruck und Unsicherheit groß sind. Ihre Verteidigung beginnt mit der richtigen Reaktion im entscheidenden Moment.
FAQs zum Thema Beschlagnahme
1. Was ist eine Beschlagnahme im Strafrecht?
Eine Beschlagnahme ist die zwangsweise Sicherung von Gegenständen durch Polizei oder Staatsanwaltschaft zur Beweissicherung oder zur Einziehung.
2. Wer darf eine Beschlagnahme anordnen?
In der Regel nur das Gericht. In Eilfällen („Gefahr im Verzug“) dürfen auch Polizei oder Staatsanwaltschaft handeln – mit richterlicher Nachkontrolle.
3. Was darf nicht beschlagnahmt werden?
Gegenstände, die dem Beschlagnahmeverbot unterliegen – z. B. die Kommunikation mit Verteidiger:innen oder bestimmte Berufsgeheimnisträger:innen.
4. Wie sollte ich mich bei einer Beschlagnahme verhalten?
Ruhe bewahren, nichts freiwillig herausgeben, Widerspruch erklären, keine Aussagen machen – und schnell anwaltliche Hilfe einschalten.
5. Wie lange dauert eine Beschlagnahme?
Sie endet mit Abschluss des Strafverfahrens – es sei denn, die Gegenstände werden eingezogen oder vernichtet.