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  • Fahrlässigkeit nach § 15 StGB – Was bedeutet das eigentlich?

Im Straßenverkehr, im Beruf oder im Alltag – immer wieder kommt es zu Situationen, in denen Menschen zu Schaden kommen, ohne dass jemand bewusst einen Unfall oder eine Verletzung herbeiführen wollte. Oft handelt es sich um klassisch fahrlässige Geschehnisse: eine kurze Unachtsamkeit beim Autofahren, ein übersehenes Verkehrszeichen oder ein Moment der Selbstüberschätzung.

Was viele nicht wissen: Auch wenn keine böse Absicht im Spiel ist, kann ein solches Verhalten strafrechtlich relevant sein. Die Fahrlässigkeit spielt im Strafrecht – insbesondere auch im Verkehrsstrafrecht – eine bedeutende Rolle und ist in § 15 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt.

 

1. Was bedeutet Fahrlässigkeit im strafrechtlichen Sinne?

Gemäß § 15 StGB sind fahrlässige Handlungen nur dann strafbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Im Gegensatz zum vorsätzlichen Handeln – bei dem Täter:innen wissentlich und willentlich eine Straftat begehen – liegt bei der Fahrlässigkeit keine bewusste Schädigungsabsicht vor.

Typische Beispiele aus der Praxis:

  • Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) – etwa nach einem Auffahrunfall aufgrund überhöhter Geschwindigkeit.
  • Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) – etwa bei einem tödlichen Verkehrsunfall infolge von Ablenkung oder Missachtung der Vorfahrt.

Keine strafrechtliche Relevanz haben hingegen Verhaltensweisen wie eine fahrlässige Sachbeschädigung, da es hierfür keine entsprechende Strafnorm gibt.

 

2. Wie wird Fahrlässigkeit juristisch geprüft?

Die Prüfung eines Fahrlässigkeitsdelikts erfolgt in drei Schritten – genau wie bei vorsätzlichen Straftaten:

  • Tatbestandsmäßigkeit
  • Rechtswidrigkeit
  • Schuld

Der Unterschied: Bei der Fahrlässigkeit entfällt der subjektive Tatbestand, da die Täter:innen gerade nicht mit Vorsatz handeln. Vielmehr wird auf eine objektive Betrachtung abgestellt: Hätte eine durchschnittlich umsichtige Person in derselben Lage den drohenden Schaden erkennen und vermeiden können?

In der anwaltlichen Praxis – insbesondere im Verkehrsrecht – steht bei der Tatbestandsprüfung die Frage im Mittelpunkt, ob die beschuldigte Person gegen eine objektive Sorgfaltspflicht verstoßen hat.

 

3. Objektive Sorgfaltspflicht und typische Konstellationen im Straßenverkehr

Ein zentrales Element der Fahrlässigkeit ist die sogenannte objektive Sorgfaltspflichtverletzung. Im Verkehr bedeutet das: Wer gegen Vorschriften der StVO verstößt oder sich unachtsam verhält, obwohl er oder sie es besser wissen müsste, handelt fahrlässig.
Ein paar typische Beispiele:

  • Wer bei glatter Fahrbahn nicht den nötigen Sicherheitsabstand einhält, obwohl Schneefall angekündigt war, verletzt seine Sorgfaltspflicht.
  • Wer trotz Übermüdung oder unter Medikamenteneinfluss fährt, begeht möglicherweise eine sogenannte Übernahmefahrlässigkeit, da er sich selbst überschätzt.

Der Maßstab ist objektiv, orientiert sich aber am konkreten sozialen und fachlichen Hintergrund der beschuldigten Person. Von einem:einer Berufskraftfahrer:in wird eine andere Reaktionsfähigkeit erwartet als von einem:einer Fahranfänger:in.

 

4. Vorhersehbarkeit und Zurechenbarkeit – Wann wird’s strafbar?

Nicht jede Unachtsamkeit führt automatisch zu einer Strafbarkeit. Der Schaden muss objektiv vorhersehbar und dem Verhalten zurechenbar sein.

Das bedeutet:

  • Vorhersehbarkeit: Ein normal umsichtig handelnder Mensch hätte erkennen können, dass sein Verhalten gefährlich ist.
  • Zurechenbarkeit: Der entstandene Schaden muss sich gerade aus der Pflichtverletzung ergeben haben.

Zwei juristische Konzepte sind dabei besonders relevant:

a) Pflichtwidrigkeitszusammenhang
Nur wenn der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten vermeidbar gewesen wäre, ist die Fahrlässigkeit strafrechtlich relevant. Das schützt beschuldigte Personen davor, für unvorhersehbare Kettenreaktionen haftbar gemacht zu werden.

b) Schutzzweck der Norm
Nicht jede verletzte Vorschrift rechtfertigt eine Strafbarkeit. Die verletzte Verkehrsregel muss gerade dem Schutz der konkret verletzten Rechtsgüter dienen. Wer auf freier Landstraße zu schnell fährt, begeht zwar einen Verstoß, ist aber nicht automatisch verantwortlich für einen späteren Unfall an einem ganz anderen Ort.

 

5. Subjektive Fahrlässigkeit und persönliche Voraussetzungen

Abschließend ist zu klären, ob die beschuldigte Person auch subjektiv fahrlässig gehandelt hat. Das bedeutet: Hätte sie auf Grundlage ihrer persönlichen Fähigkeiten, ihres Wissens und ihrer Erfahrung den Verstoß erkennen und vermeiden können?

Auch hier gilt ein differenzierter Maßstab: Von einer erfahrenen Pflegekraft wird bei der Medikamentenvergabe anderes erwartet als von einem:einer Auszubildenden. Im Verkehr bedeutet das z. B., dass ein:e Berufsfahrer:in bei schlechter Witterung besonders vorausschauend fahren muss.

 

Fazit: Was heißt das für die Praxis?

Fahrlässigkeit ist kein Kavaliersdelikt – auch wenn keine böse Absicht vorliegt. Gerade im Straßenverkehr sind die Anforderungen an Sorgfalt und Umsicht hoch, denn es geht oft um Leib und Leben. Wer gegen Regeln verstößt, muss unter Umständen mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen – etwa wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung.
Gleichzeitig ist klar: Nicht jeder Unfall ist automatisch ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Die juristische Bewertung hängt von vielen Faktoren ab – und genau hier kommt anwaltliche Unterstützung ins Spiel.

Als spezialisierte Kanzlei im Bereich des Straf- und Verkehrsrechts stehen wir bereit, um Sie in allen Fragen rund um Verkehrsunfälle und die damit verbundenen rechtlichen Herausforderungen zu unterstützen. Unsere Expertise reicht von der Beratung über die Geltendmachung Ihrer Ansprüche bis hin zur Vertretung in gerichtlichen Verfahren. Wenn Sie Unterstützung benötigen oder weitere Fragen zu den Auswirkungen von Fahrlässigkeitsvorwürfen haben, kontaktieren Sie uns gerne. Wir stehen Ihnen an unseren Standorten in Sulingen, Bremen, Osnabrück oder Online zur Verfügung.

 

FAQ’s zum Thema Fahrlässigkeit 

1. Wann liegt strafrechtliche Fahrlässigkeit vor?
Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand die gebotene Sorgfalt außer Acht lässt und dadurch einen Schaden verursacht – ohne Vorsatz, aber vermeidbar.

2. Ist jeder Unfall automatisch strafbar?
Nein. Eine Strafbarkeit setzt voraus, dass der Schaden vorhersehbar und auf eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung zurückzuführen ist.

3. Welche Strafen drohen bei fahrlässiger Körperverletzung?
Nach § 229 StGB drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe – je nach Schwere des Falls und den Umständen des Unfalls.

4. Was ist der Unterschied zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit?
Unbewusste Fahrlässigkeit: Der Schaden wird nicht erkannt.
Bewusste Fahrlässigkeit: Der Schaden wird für möglich gehalten, aber man vertraut darauf, dass nichts passiert.

5. Wann sollte ich nach einem Unfall eine:n Anwält:in einschalten?
Sobald strafrechtliche Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung im Raum stehen, ist anwaltliche Unterstützung dringend zu empfehlen.

Christian Odebrecht 
Strafverteidiger

Björn Steveker 
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Christian Odebrecht 
Strafverteidiger

Björn Steveker 
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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