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  • Feststellungsduldungspflicht und Wartepflicht: Was gilt nach einem Unfall im Straßenverkehr?

Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit – und schon ist es passiert: ein Verkehrsunfall. Viele Beteiligte sind in dieser Situation unsicher, wie sie sich richtig verhalten sollen. Besonders häufig stellt sich die Frage: Darf man einfach weiterfahren? Die klare Antwort: In den allermeisten Fällen nein – denn das deutsche Strafrecht sieht bei Verkehrsunfällen eine Feststellungsduldungspflicht sowie eine Wartepflicht vor. Diese Pflichten treffen alle, die an einem Unfall im öffentlichen Straßenverkehr beteiligt sind – unabhängig davon, ob sie den Unfall verursacht haben oder nicht.

In diesem Beitrag klären wir, welche Pflichten Verkehrsteilnehmer:innen nach einem Unfall beachten müssen, wann man sich strafbar macht und welche Konsequenzen bei einem Verstoß drohen.

 

1. Feststellungsduldungspflicht: Nicht einfach weiterfahren

Wer in einen Unfall im Straßenverkehr verwickelt ist, muss zunächst am Unfallort verbleiben und durch seine Anwesenheit ermöglichen, dass Personalien, Fahrzeugdaten und die Art der Beteiligung festgestellt werden können. Das gilt nicht nur gegenüber der Polizei, sondern auch gegenüber anderen Unfallbeteiligten oder Geschädigten.

Entscheidend ist: Man muss nicht nur vor Ort bleiben, sondern auch aktiv zu erkennen geben, dass man am Unfall beteiligt ist. Einfach still danebenstehen reicht also nicht.

Diese Pflicht trifft alle am Unfall Beteiligten – auch jene, deren Beitrag zum Unfallgeschehen nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. So kann beispielsweise auch ein:e Beifahrer:in, der oder die in das Lenkrad gegriffen hat, als Beteiligte:r gelten.

 

2. Wartepflicht bei Abwesenheit feststellungsbereiter Personen

Sind am Unfallort keine Personen anwesend, die bereit oder in der Lage sind, die erforderlichen Feststellungen zu treffen (z. B. Polizei oder Geschädigte), greift die sogenannte Wartepflicht. Das bedeutet: Man darf sich nicht einfach entfernen, sondern muss eine angemessene Zeit vor Ort bleiben.

Wie lange das konkret ist, hängt vom Einzelfall ab – maßgeblich sind z. B.:

  • die Schwere des Unfalls,
  • die Tageszeit,
  • der Unfallort (z. B. Innenstadt oder abgelegene Landstraße),
  • sowie die Verkehrsdichte.

In Bagatellfällen sollten mindestens 10 bis 15 Minuten abgewartet werden. Erst danach darf man sich entfernen – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass man unverzüglich im Anschluss die Feststellung der Personalien nachholt.

 

3. Nachträgliche Feststellung: Schnell zur Polizei

Wer den Unfallort nach Ablauf der Wartezeit verlässt, ist dennoch nicht aus der Verantwortung entlassen. Die Strafbarkeit wegen unerlaubten Entfernens kann nur dann vermieden werden, wenn man unverzüglich die Feststellungen nachholt. Das heißt: ohne schuldhaftes Zögern, im Zweifel direkt zur nächsten Polizeidienststelle.

Diese Pflicht gilt auch, wenn ein triftiger Grund für das Verlassen des Unfallorts vorlag – etwa bei einem medizinischen Notfall, zur Erfüllung einer Hilfspflicht oder wenn der oder die Geschädigte ausdrücklich auf die Anwesenheit verzichtet hat. Entscheidend ist, dass man im Nachgang transparent handelt und aktiv zur Aufklärung beiträgt.

 

4. Wer ist überhaupt „Unfallbeteiligte:r“?

Viele sind sich unsicher, ob sie überhaupt unter § 142 StGB fallen. Hier gilt: Als Unfall gilt jedes plötzliche Ereignis im öffentlichen Straßenverkehr, das zu einem nicht völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden führt. Die Grenze zur Bagatelle liegt nach aktueller Rechtsprechung bei etwa 25 bis 50 Euro.

Beteiligte sind alle Personen, deren Verhalten zum Unfall beigetragen haben könnte – nicht nur der oder die offensichtliche Unfallverursacher:in. Ob man tatsächlich „beteiligt“ ist, kann häufig erst durch die Feststellungen am Unfallort geklärt werden. Wer einfach weiterfährt, vereitelt diese Möglichkeit – und riskiert eine Strafbarkeit.

 

5. Mögliche Konsequenzen: Strafe, Entzug der Fahrerlaubnis & Versicherungsprobleme

Ein Verstoß gegen § 142 StGB – also das unerlaubte Entfernen vom Unfallort – ist kein Kavaliersdelikt. Es drohen:

  • Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen,
  • Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) bei schweren Folgen,
  • sowie ein Fahrverbot (§ 44 StGB), wenn kein Entzug erfolgt.


Insbesondere bei Parkunfällen kann das Gericht die Strafe mildern oder gänzlich davon absehen, wenn die Feststellung der Personalien innerhalb von 24 Stunden nachgeholt wird (§ 142 Abs. 4 StGB). Das gilt jedoch nur bei Unfällen außerhalb des fließenden Verkehrs und ohne bedeutenden Schaden – was häufig bei einem Sachschaden unter etwa 1.300 Euro angenommen wird.

Auch versicherungstechnisch kann es teuer werden: Wer sich vom Unfallort entfernt, riskiert Leistungskürzungen oder sogar den vollständigen Verlust des Versicherungsschutzes (§ 28 Abs. 2 VVG). Bei der Kfz-Haftpflicht ist die Kürzung jedoch auf 2.500 bis 5.000 Euro begrenzt (§ 6 KfzPflVV).

 

Fazit: Bei Unfällen gilt – besser bleiben als bereuen

Gerade in einer Großstadt wie Bremen ist der Straßenverkehr oft hektisch – da ist ein kleiner Parkrempler schnell passiert. Doch Vorsicht: Auch bei vermeintlichen Bagatellschäden greifen die oben beschriebenen Pflichten. Wer sich vorschnell vom Unfallort entfernt, riskiert empfindliche Strafen und unnötige Probleme mit der Versicherung.

Im Zweifel empfehlen wir: Rufen Sie die Polizei, dokumentieren Sie den Schaden, bleiben Sie vor Ort – und falls nötig, melden Sie sich unverzüglich bei der nächsten Dienststelle. So sind Sie auf der sicheren Seite. Sollten Sie den Schaden nicht bemerken und eine Beschuldigtenanhörung erhalten, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

 

Als spezialisierte Kanzlei im Bereich des Straf- und Verkehrsrechts stehen wir bereit, um Sie in allen Fragen rund um Verkehrsunfälle und die damit verbundenen rechtlichen Herausforderungen zu unterstützen. Unsere Expertise reicht von der Beratung über die Geltendmachung Ihrer Ansprüche bis hin zur Vertretung in gerichtlichen Verfahren. Wenn Sie Unterstützung benötigen oder weitere Fragen zu den Auswirkungen der BGH-Urteile haben, kontaktieren Sie uns gerne. Wir stehen Ihnen an unseren Standorten in Sulingen, Bremen, Osnabrück oder Online zur Verfügung.

 

FAQ’s zum Thema unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

1. Wann muss ich nach einem Unfall am Unfallort bleiben?
Sobald Sie in einen Unfall im öffentlichen Straßenverkehr verwickelt sind, müssen Sie vor Ort bleiben, um die Feststellung Ihrer Daten zu ermöglichen.

2. Wie lange muss ich nach einem Parkrempler warten?
Auch bei geringem Schaden sollten Sie mindestens 10 bis 15 Minuten warten. Danach sollten Sie den Vorfall unverzüglich bei der Polizei melden.

3. Was droht bei Fahrerflucht?
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort kann mit Geldstrafe, Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und dem Entzug der Fahrerlaubnis geahndet werden.

Christian Odebrecht 
Strafverteidiger

Björn Steveker 
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Christian Odebrecht 
Strafverteidiger

Björn Steveker 
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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