• Home
  • Strafrecht
  • Ehrschutz im Strafrecht – was zählt als Beleidigung und was ist erlaubt?

In Zeiten sozialer Medien, hitziger politischer Diskussionen und anonymer Kommunikation geraten Menschen schnell in den Fokus ehrverletzender Äußerungen. Doch was genau ist eigentlich unter dem rechtlichen Schutz der Ehre zu verstehen – und wo endet das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung?


1. Was schützt das Strafrecht mit dem Ehrschutz?

Die §§ 185 bis 200 des Strafgesetzbuches (StGB) widmen sich dem Schutz der Ehre lebender Personen. Anders als im allgemeinen Sprachgebrauch versteht das Strafrecht unter „Ehre“ nicht nur ein vages Gefühl von Anerkennung oder Stolz. Maßgeblich ist ein normativer Ehrbegriff, der die Ehre als den Wert beschreibt, den ein Mensch allein durch seine Menschenwürde und sein soziales Verhalten in der Gesellschaft hat.

Dieser Schutz ist umfassend: Wer andere vorsätzlich herabwürdigt, angreift oder durch unwahre Behauptungen bloßstellt, muss unter Umständen mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.


2. Wer kann beleidigt werden – und wer nicht?

Beleidigungsfähig sind grundsätzlich alle lebenden natürlichen Personen. Diese Voraussetzung ergibt sich direkt aus dem Schutzgut der Ehre. Anders sieht es bei juristischen Personen wie Vereinen oder Unternehmen aus. Diese gelten nur dann als beleidigungsfähig, wenn sie eine anerkannte gesellschaftliche Funktion erfüllen und einen einheitlichen Willen bilden können – etwa politische Parteien, Gewerkschaften oder die Bundeswehr.

Keine Beleidigungsfähigkeit besitzen hingegen rein gesellige Gruppen wie ein Kegelverein oder lockere Interessengemeinschaften.
Etwas komplizierter wird es bei Kollektivbezeichnungen: Aussagen wie „Alle Lehrer:innen sind unfähig“ sind in der Regel nicht strafbar, da der Personenkreis zu groß und zu unbestimmt ist. Eine strafbare Beleidigung liegt hier nur vor, wenn sich die Aussage auf einen überschaubaren, klar abgrenzbaren Personenkreis bezieht.

Und wie steht es um die sogenannte Familienehre? In der juristischen Diskussion wird überwiegend vertreten, dass Familien als solche nicht beleidigungsfähig sind – beleidigt werden kann aber natürlich jedes einzelne Familienmitglied.


3. Wann liegt eine strafbare Beleidigung vor?

Nach § 185 StGB ist eine Beleidigung jede Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung gegenüber einer anderen Person. Das kann durch Worte, Gesten oder sogar symbolische Handlungen geschehen (z. B. das berühmte „Vogel zeigen“).

Wichtig ist: Die Aussage oder Geste muss so verstanden werden können, dass sie sich gegen die Ehre einer bestimmten Person richtet – und die Person oder Dritte müssen sie auch wahrnehmen können. Ein Selbstgespräch oder ein Tagebucheintrag bleibt also straflos.

§ 185 StGB schützt sowohl vor Tatsachenbehauptungen als auch vor Werturteilen. Entscheidend ist, wie ein:e objektive:r Dritte:r die Äußerung auffasst – also ob aus neutraler Perspektive tatsächlich eine Herabwürdigung erkennbar ist.

Für eine Strafbarkeit reicht bereits ein bedingter Vorsatz aus: Wer zumindest billigend in Kauf nimmt, dass sein Verhalten ehrverletzend ist, kann sich strafbar machen.

 

4. Was ist der Unterschied zwischen übler Nachrede und Verleumdung?

Während § 185 StGB auch Meinungen erfasst, beziehen sich §§ 186 und 187 StGB ausschließlich auf Tatsachenbehauptungen.

  • § 186 StGB – Üble Nachrede: Wer über eine andere Person eine nicht erweislich wahre Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, deren Ehre zu verletzen, macht sich strafbar. Die Besonderheit: Es reicht schon, dass sich die Unwahrheit nicht beweisen lässt – ob die:der Täter:in an sie glaubt oder nicht, spielt keine Rolle.
  • § 187 StGB – Verleumdung geht einen Schritt weiter: Hier behauptet oder verbreitet jemand eine ehrverletzende Unwahrheit wider besseren Wissens, also mit direktem Vorsatz. Der Täter weiß genau, dass die Aussage falsch ist – und nimmt die Rufschädigung bewusst in Kauf.


Beide Straftatbestände gelten übrigens nur bei Tatsachen, also bei Äußerungen über vergangene oder gegenwärtige Zustände, die objektiv überprüfbar sind – im Gegensatz zu bloßen Meinungen oder Gefühlsäußerungen.


5. Gibt es Situationen, in denen ehrverletzende Aussagen erlaubt sind?

Ja – unter bestimmten Voraussetzungen können auch ehrverletzende Äußerungen gerechtfertigt sein. § 193 StGB nennt ausdrücklich Fälle wie:

  • tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder berufliche Leistungen
  • berechtigte Interessenwahrnehmung

Letzteres ist besonders wichtig: Wer eine ehrverletzende Tatsache äußert, um legitime Interessen zu schützen (z. B. in einem Beschwerdeverfahren), handelt nicht strafbar, wenn die Äußerung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist.

Zudem schützt Art. 5 GG die Meinungsfreiheit – insbesondere bei öffentlichen Debatten, journalistischer Berichterstattung oder politischem Meinungskampf. Entscheidend ist hier, dass die Äußerung nicht ausschließlich verletzen soll (kein sogenannter Exzess).

 

Fazit

Der Ehrschutz im Strafrecht ist ein sensibles Thema – zwischen Meinungsfreiheit und persönlicher Integrität gilt es, eine faire Balance zu wahren. Wer sich durch Äußerungen verletzt fühlt oder unsicher ist, ob ein Verhalten strafbar sein könnte, sollte sich frühzeitig anwaltlich beraten lassen.

Als spezialisierte Kanzlei im Bereich des Straf- und Persönlichkeitsrechts stehen wir Ihnen zur Seite, wenn Sie sich gegen ehrverletzende Äußerungen verteidigen möchten oder einen Strafantrag in Betracht ziehen. Kontaktieren Sie uns gerne – an unseren Standorten in Sulingen, Bremen, Osnabrück oder Online.

 

FAQ’s zum Thema Ehrschutzdelikte

1. Was zählt im rechtlichen Sinne als Beleidigung?
Eine Beleidigung ist jede Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung gegenüber einer anderen Person – verbal, schriftlich oder symbolisch.

2. Ist jede unhöfliche Bemerkung strafbar?
Nein. Strafbar sind nur ehrverletzende Äußerungen, nicht aber bloße Unhöflichkeiten oder sachlich formulierte Kritik.

3. Was ist der Unterschied zwischen Verleumdung und übler Nachrede?
Bei der Verleumdung weiß der Täter sicher, dass die Aussage falsch ist – bei der üblen Nachrede ist das nicht erforderlich.

4. Sind anonyme Beleidigungen im Internet strafbar?
Ja. Auch anonyme Äußerungen in sozialen Netzwerken oder Foren können unter § 185 StGB fallen.

5. Was kann ich tun, wenn ich beleidigt wurde?
Sie können Strafantrag erstatten oder zivilrechtlich gegen die Person vorgehen – lassen Sie sich dazu am besten anwaltlich beraten.

Christian Odebrecht 
Strafverteidiger

Björn Steveker 
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Christian Odebrecht 
Strafverteidiger

Björn Steveker 
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Share this post